Ueli Kestenholz: „Diese Schneemengen auf Hokkaido sind schon beeindruckend!“
Ueli Kestenholz ist ein Multitalent. Der Schweizer ist Snowboarder, Wellenreiter, Surfer, Fallschirmspringer und Speedrider – und manchmal alles in einem. Viele bezeichnen ihn als Extremsportler, er selbst nennt sich lieber Cross-Over-Athlet. 1998 gewann er bei den Olympischen Winterspielen in Nagano Bronze im Riesenslalom, zweimal wurde er Snowboard-Weltmeister und bei den X-Games in Aspen holte er zweimal Gold im Boarder-X. Mit dem Speedride-Schirm jagte er im Berner Oberland Eiger, Mönch und Jungfrau hinunter. Auch in den legendären Warren Miller-Filmen war Kestenholz schon als Athlet dabei. Kestenholz powdert rund um die Welt. Der Mt. Asahidake auf Hokkaido gehört zu seinen absoluten Lieblingszielen. In nur einem Reisetag ist er Dank der Japanischen Fluggesellschaft ANA von Europa aus erreichbar.
Ueli, Du bist weltweit in den Bergen unterwegs, aber besonders gern in Japan. Was fasziniert Dich so Japan?
Dieser spannende Mix aus endlos viel Pulverschnee und einer unbekannten Kultur. Ich bin jedes Mal wieder von diesem Clash fasziniert: auf der einen Seite diese traditionelle japanische Gesellschaft, in der Disziplin und Pflichtbewusstsein so wichtig sind, und dann diese Freerider-Kultur in den Bergen. Was da abgeht, ist schon hochspannend.
Wie hast Du die Japaner denn erlebt?
Japan ist ein extrem kontrastreiches Land. Da sind zum einen diese sehr zurückhaltenden und rücksichtsvollen Menschen und dann trifft man in Metropolen wie Tokio oder eben auch in den Bergen wirklich Verrückte.
Magst Du Japan auch so sehr, weil Du Dich immer noch gern an die Olympischen Spiele 1998 in Nagano erinnerst?
Ja, auf jeden Fall. Das war für mich eine riesige Geschichte. Es war das erste Mal, dass Snowboarden olympisch war. Und die Japaner sind sehr begeisterungsfähig. Die klatschen dich ab auf dem Weg zum Start und flippen total aus. Im Berufsleben können sie sehr zurückhaltend, aber wenn es um Sport geht, sind sie unglaublich begeisterungsfähige Fans.
Statt Rennstrecken fährst Du mittlerweile lieber Tiefschneehänge wie die am Mt. Asahidake. Was macht den höchsten Berg auf Hokkaido für Dich so besonders?
Wenn du aus Europa kommst, sind diese Schneemengen schon beeindruckend. Diese Schneewände, die man schon bei der Anfahrt an den Straßen rechts und links sieht, sind der Wahnsinn. Toll ist auch der Blick bei schönem Wetter. Wenn man den Dampf ringsherum sieht, weiß man eben, dass man nicht auf irgendeinem Berg in den Alpen ist, sondern am anderen Ende der Welt auf einem Vulkan.
Braucht man einen Guide am Mt. Asahidake?
Jein! Man kann das Gebiet relativ schnell einschätzen, allerdings nur bei gutem Wetter. Wenn das Wetter schlecht ist, wird’s extrem schwierig, sich zurechtzufinden. Nicht zuletzt, weil es auch viele gefährliche Stellen gibt. Ein Guide ist sicherlich kein Muss, aber er hilft schon enorm. Wenn man nur ein paar Tagen da ist, kann man mit Guide viel mehr rausholen.
Abends treffen sich fast alle Ausländer im Hotel Bearmonte am Fuß des Mt. Asahidake. Das ist schon irgendwie ein skurriles Haus, oder?
Aber noch das Normalste, das es dort gibt. Auch da sind die Kontraste wieder super spannend. Da kommen viele Japaner hin, um ganz traditionell im Onsen zu baden. Und dann treffen sie im Winter auf diese verrückten, bunten Freerider aus der ganzen Welt. Das ist schon lustig.
Der Mt. Asahidake ist sicherlich das außergewöhnlichste Ski Resort auf Hokkaido. Welche anderen empfiehlst Du noch?
Niseko ist sicherlich ein Muss, auch wenn es ein bisschen voll ist. Aber es ist immer noch der Hotspot des Freeridens in Japan. Es ist auf jeden Fall ein cooler und vielseitiger Skiort mit vielen Optionen. Wenn man da ein bisschen läuft, findet man auch menschenleere, tolle Hänge. Und im Ort gibt es viele sehr gute Restaurants. Ich mag Sushi und andere japanischen Gerichte sehr gern.
Hokkaido ist berühmt für seine enormen Schneemassen, Kälte und Wind. Kann man dennoch jeden Tag Freeriden gehen?
Ja, das geniale sind die Bäume, an denen man sich selbst im Schneetreiben orientieren kann. Da die Berge ohnehin nicht so hoch sind, ist man meistens im Wald unterwegs. Deshalb ist ein Tag mit Schneestürmen kein Grund, zu Hause zu bleiben. Im Gegenteil! Ich mag dieses extreme Wetter sehr. Man ist Zuhause viel zu selten bei solchen Verhältnissen draußen – in Japan aber ist das normal. Also sind alle auch bei Sturm draußen.
Welches Snow-Highlight hattest Du vergangene Saison außer Japan?
Kanada hatte ja einen super Winter. Und ich hatte das Glück, einen Freund in Pemberton bei Whistler besuchen zu können. Da sind wir einfach zusammen Freeriden gegangen. Manchmal sind wir ein Stück mit dem Snowmobile an den Berg gefahren und dann mit dem Splitboard hochgelaufen. Das machen die in Kanada oft, aber für mich war es ein Highlight. Man fährt zu zweit mit dem Snowmobile hoch, einer fährt den Schlitten wieder runter und beim nächsten Mal ist der andere dran.
Was hast Du diesen Winter vor?
Ich werde sicher meine Splitboard-Camps veranstalten und ich werde wahrscheinlich wieder bei der Filmproduktion „Nuit de la Glisse“ dabei sein. Ansonsten versuche ich mir möglichst viele Freiräume zu schaffen. Wenn irgendwo super Schnee ist oder sich irgendein cooles Projekt ergibt, will ich spontan reagieren können.
Kann man mit Dir immer noch zum Tandem-Speedring im Berner Oberland gehen?
Ja klar, das mache ich noch immer. Das macht einen Riesenspaß, die Begeisterung der Leute mitzuerleben, wenn Sie von einem Gipfel mit Ski an den Füßen und an einem Schirm hängend die Hänge hinuntersausen. Ich bin sogar mal mit einem blinden Gast geflogen. Da habe ich ein zusätzliches Paar Bindungen auf meine Ski montiert und ihn so direkt mit auf meine Ski genommen. Das war ein grandioses Erlebnis für ihn und auch für mich.
Du bist als Speedrider auch schon in Warren Miller-Filmen zu sehen gewesen. War das für Dich etwas Besonderes?
Auf jeden Fall! Das war schon sehr cool, „meine“ Berge in der Schweiz und die Art, wie man sie befahren kann, auf die Leinwand zu bringen.
Für uns Normalos sehen manche Szenen in diesen Freeride-Movies wahnsinnig gefährlich aus. Wie weißt Du, wann es zu gefährlich ist?
Es gibt schon Tage, an denen eigentlich gar nichts geht. Da weißt Du, dass du heute nirgends reindroppen kannst. Mit dem eigenen Bauchgefühl und der Einschätzung des Bergführers versucht man das Risiko dann zu minimieren. Ganz auf null reduzieren aber lässt es sich nie.
Muss ein guter Freerider und Speedrider Nein sagen können?
Unbedingt! Das ist sehr wichtig. Wenn man oben steht und das Bauchgefühl stimmt nicht, dann muss man auch mal Nein sagen oder eine B-Linie fahren.
Wird das Profi-Freeriden immer gefährlicher?
Schwierig. Ich selbst riskiere nicht immer mehr! Ich lasse mich auch nicht zu höherem Risiko drängen oder verleiten. Ob das für gewisse Leute anders ist, kann ich nicht sagen. Fakt ist aber, dass das Niveau gestiegen ist. Die Erfahrung der Freerider ist größer und auch das Equipment ist besser geworden. Was die auf der Freeride World Tour heute machen, ist schon verrückt. Aber das sind Leute, die schon sehr jung angefangen haben. Ich bin vielleicht mit 18 Jahren erstmals größere Sachen gefahren – heute machen das teilweise schon 13-jährige Kids. Das ist ein Alter, in dem man sehr schnell lernt und keine Angst hat.
Du bist ein Multitalent: Surfer, Boarder, Speedrider… Ein Sport wäre Dir wohl zu langweilig?
Das Leben ist zu kurz, um sich auf eine Sportart zu limitieren. Deshalb mache ich tatsächlich viele Sachen. Wie gut, ist eine andere Frage… Ich kam vom Windsurfen, Wellenreiten und Skateboarding zum Snowboarden. Dann kamen Kitesurfen, Gleitschirmfliegen, das Fallschirmspringen und Speedriding dazu. Und auch noch Mountainbiking und Wakeboarding – ja, die Liste ist schon recht lang. Aber die beiden Hauptsportarten im Winter sind schon Snowboarden und Speedriding.
Wie passt das Leben des Abenteurers und Extremsportlers mit dem des Familienmenschen Ueli Kestenholz zusammen? Hat Deine Familie nicht manchmal Angst um Dich?
Oft ist es schon eher umgekehrt, wenn ich meinen ältesten Sohn sehe, wie der mit dem Rad oder auf dem Snowboard irgendwo runterjagt, da mache ich mir sicher mehr Sorgen um ihn als er um mich.
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