Pitztaler Gletscher: Aufs Dach in den Tiefschnee
Tirols höchster Gletscher bietet von Oktober bis Mai beste Bedingungen auf den Pisten. Doch auch in der Freeride-Szene hat sich das Gebiet in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf erworben. Auf dem „Dach Tirols“ findet man Wintersport pur, fernab von Hüttenrummel und Aprés-Ski-Getöse.
Bei meiner Ankunft an der Talstation schaue ich noch etwas ratlos den Berg hinauf: keine Masten, keine Gondeln, keine Seilbahn. Wie also soll ich auf den Gletscher kommen? Die Antwort rollt im Inneren des Gebäudes auf Schienen heran. Schräg nach oben fährt der Gletscherexpress durch den Felsen, für die 1.100 Höhenmeter benötigt er acht Minuten. Als ich die steinernen Wände dicht am Fenster vorbeiziehen sehen, komme ich mir ein wenig vor wie in einer Indoor-Achterbahn im Vergnügungspark. Doch statt nach der nächsten Biegung im halsbrecherischen Tempo auf den nächsten Looping zuzurasen, befördert die Bahn ihre Gäste sicher mitten ins höchste Skigebiet Tirols.
Der Pitztaler Gletscher gehört mit dem Hintertuxer, dem Kaunertaler und dem Stubaier Gletscher sowie dem Gletschergebiet Sölden zu den fünf Gletschern Tirols. Den Begriff „höchste“ bekomme ich hier noch einige Male zu hören. Mit Alexander vom Tourismusverband Pitztal habe ich mich im Café 3440 verabredet, dem höchsten Café Österreichs, um mit Blick auf die Wildspitze, Tirols höchstem Berg, ein Stück Kuchen aus Tirols höchster Konditorei zu probieren. Doch zuvor möchte ich das „Dach Tirols“ auf eigene Faust erkunden. Schnell merke ich, dass dieses Obergeschoss zu einem echten Abenteuerspielplatz ausgebaut wurde.
Obwohl es noch sehr früh in der Saison ist – wir haben gerade einmal Mitte Oktober – sind die Bedingungen auf der Piste schon richtig gut. Das sehen auch die vielen anderen Ski- und Snowboardfahrer so, die teilweise spielerisch leicht an mir vorbeiziehen. Bin ich tatsächlich so langsam geworden?
Weltcup-Elite trainiert am Pitztaler Gletscher
Als ich am Mittag mit Alexander spreche, kann er mich beruhigen. „Die Trainingssaison hat begonnen, hier ist die Weltcup-Elite zu Gast.“ Gerade der steile, anspruchsvolle Hang unter der neuen Wildspitzbahn (richtig – Tirols höchste Seilbahn!) eignet sich hervorragend als Trainingsstrecke. Doch auch Skiclubs und –vereine sind zahlreich vertreten, genauso wie Familien, die schon in den Herbstferien die ersten Schwünge in die Piste ziehen.
Dass hier schon im Herbst toller Schnee liegt, oftmals bis weit in den Frühling hinein, ist kein Zufall, sondern einem ausgeklügelten Schneemanagementsystem zu verdanken. Fast das ganze Jahr über kümmern sich die Pitztaler um ihre wertvolle Ressource. Gegen Ende der Saison schieben sie riesige Schneebälle zusammen und legen Depots an, um sie vor Wind und Sonne zu schützen. Andere Stellen werden mit Stoff abgedeckt, zudem kommen einige klassische Schneekanonen zum Einsatz. Besonders imposant ist allerdings der Snowmaker, ein innovatives Gerät israelischer Herkunft, das normalerweise im Bergbau in Südafrika eingesetzt wird. Auf dem Gletscher sorgt der graue Riese jetzt auch bei Plusgraden für weiße Flocken.
Freerider haben viele Möglichkeiten
Die Höhe des Skigebiets kommt nicht nur der Schneequalität zu Gute, sondern auch den Freeridern, die nach einem kurzen Aufstieg so viele Höhenmeter zurücklegen können wie nirgends sonst in Österreich. Vom Lift aus geht es, Ski oder Snowboard geschultert, nur noch ein kleines Stück den Berg rauf. „Dann gibt es unglaublich viele Möglichkeiten hier oben“, erzählt Felix Wiemers, der einzige Deutsche Teilnehmer der Freeride World Tour 2015. „Der Klassiker ist der Mittagskogel, eine Wahnsinnsabfahrt, 1.400 Meter runter bis zur Talstation. Und wenn das Wetter mal schlecht ist, hat es unten in Rifflsee super Treeruns.“ Natürlich sollte ein ortskundiger Führer dabei sein, schließlich lauert unter der weißen Decke die eine oder andere Spalte.
Ein Geheimtipp für Freerider ist die Gegend spätestens seit dem ersten Pitztal Wild Face Rennen, bei dem es für die Teilnehmer darum geht, vom Mittagskogel aus so schnell wie möglich in die Ortschaft Mandarfen zu kommen, nicht mehr wirklich. Mittlerweile gibt es am Gletscher mehrtägige Camps, für Einsteiger und Profis gleichermaßen, in denen man das Powder-Abenteuer erleben kann. „Freerider sind für uns eine wichtige Zielgruppe“, sagt Alexander. „Wer hier her kommt, will einfach nur Ski fahren, aktiv sein und Pulverschnee spüren.“
Gefrorene Wasserfälle
Aktiv werden kann man nicht nur mit Brettern unter den Füßen. „Nachts rodeln sollte man mal ausprobieren“, berichtet Alexander. „Am Hochzeiger kehrt man oben ein, dann geht es sechs Kilometer runter. Auch Eisklettern kann man hier. Unser Tal ist ziemlich schmal und daher sehr schattig. So wächst das Eis sehr gut, die Gebiete sind leicht zugänglich.“
Während ich noch darüber nachdenke, ob ich tatsächlich in meinem Skiurlaub im Pitztal mit Eispickel und Steigeisen bewaffnet einen zugefrorenen Wasserfall hochklettern möchte, stehe ich an der Theke im Café, um einen warmen Apfelstrudel aus Tirols höchster Konditorei zu probieren. Hier oben soll es ja keinen besseren geben – was angesichts der mangelnden Konkurrenz nicht so schwer ist. Als ich den ersten, in Vanillesauce getauchten Bissen dann im Mund habe, bin ich mir sicher: Auch 2.000 Meter weiter unten wäre dieser Strudel ganz vorne mit dabei!
Abends geht es für mich zurück ins Hotel. Für die Dauer meines Aufenthalts bin ich im Sportiv-Hotel Mittagskogel in Mandarfen untergebracht, keine fünf Autominuten vom Gletscher entfernt. Hier kann man nach dem Skitag nicht nur in den gemütlichen Zimmern entspannen, sondern auch im hauseigenen Wellnessbereich mit Hallenbad und Sauna. Ein Lob zudem für den Service: Obwohl ich am ersten Tag nach einer Vollsperrung der Autobahn erst weit nach 21:00 Uhr ankomme, zaubert die Küche noch schnell ein herrliches Vier-Gänge-Menü, auf das ich mich seitdem jeden Abend freue.
Marillenschnaps nichts für Rheinländer?
Vor meiner letzten Nacht bestelle ich noch schnell einen Marillenschnaps – und fange an zu husten. „Brennt?“, kommt die Frage vom Barkeeper. Ganz im Gegenteil, wunderbar weich, ich hatte mich nur verschluckt. Da ich jedoch kurz nach Luft ringe, kann ich nur abwinken. Dass die übrigen Gäste am Tresen vermutlich den Eindruck haben, wir Rheinländer könnten eben nichts vertragen, lässt sich wohl nicht mehr ändern. Doch damit kann ich leben. Immerhin habe ich ein wohlig warmes Gefühl im Bauch und grandiose Eindrücke vom Dach Tirols im Gepäck.
Insider-Tipp
Wer schon immer einmal wissen wollte wie ist, im Pistenbully den Berg hochzufahren, hat am nahegelegenen Hochzeiger Gelegenheit dazu. Einmal wöchentlich können Interessierte eine Tour in den PS-starken Kettenfahrzeugen mitmachen.
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