Heliskiing mit dem verrücktesten Wikinger Kanadas in Bella Coola
Bella Coola – kein Werbeguru hätte sich einen klangvolleren Namen für den Heliski-Geheimtipp im Nordwesten Kanadas ausdenken können. In Wirklichkeit stammt der Name des von bis zu 4000 Meter hohen Gipfeln eingerahmten Hafenstädtchens an der Pazifikküste von den Indianern.
Bella Coola klingt nach schönen Bergen, Wildnis, Abenteuer und coolen Typen wie Pete „The Swede“ Mattson. Pete ist der skiverrückteste Wikinger im Wilden Westen Kanadas, ein genialer Guide und einer der skurrilsten Gastgeber British Columbias. „You will have a lot of fun with him“, hatte uns Beat Steiner in Whistler versprochen. Der aus der Schweiz stammende Beat ist der Besitzer von Bella Coola Heli Sport. Mattson war einer seiner Partner bei Bella Coola Heli Sports, bis er sich vor einiger Zeit aus dem Geschäft zurückzog und in Rente ging. Zusammen hatten sie vorher so manchen Ski-Film gedreht. Beat hinter der Kamera, Pete davor auf Ski. Ende der 1980er Jahre wurde „The Swede“ zur Legende der kanadischen Freerider-Szene.
Als die heutige Olympia-Stadt Whistler vor rund 30 Jahren noch nicht viel mehr war als ein kleines Bergkaff nördlich von Vancouver, erkannte Pete schon das Potenzial des heutigen Mega-Skigebiets. Er war einer der Freeride-Pioniere in Whistler. „The Swede“ – hat das besondere Gespür für den schmalen Grat zwischen Glücksgefühl und Alptraum abseits der Pisten. Er fühlt, welcher Run noch machbar und welcher lebensgefährlich ist. Das machte den Freerider immer mehr zum gefragten Guide für spektakuläre Ski-Filme.
Heliskiing in Bella Coola: Pete und Co. haben es entdeckt
Erst drehten Beat und er rund um Whistler, dann entdeckten sie Bella Coola. „Die Berge sind hier steiler, das Panorama mit den Fjorden im Hintergrund spektakulärer und die Schneelage besser“, erzählt Pete. Bis zu 15 Meter Schnee pro Saison fallen hier. Ein Tiefschneeparadies, auf das auch andere scharf waren. Damit ihnen keiner ihren Lieblings-Drehort vor der Nase wegschnappt, beantragten Pete & Co. kurzerhand selbst die Heliski-Lizenz für die Gebiete von Bella Coola und Pantheon, die heute mit 10.000 Quadratkilometern eines der größten Heliski-Gebiete der Welt bilden.
Ob Filmdreh oder Tour mit Gästen, die Sicherheit hat für Pete immer oberste Priorität. „Aber Spaß und Abenteuer gehören natürlich auch dazu“, meint Beat. Bei ihm in Whistler haben wir uns erst mal auf den Pisten warmgefahren, um den Jetlag aus den Knochen zu bekommen. In Bella Coola gibt es keinen einzigen Lift. Bevor man aus dem Flieger gleich in den Heli umsteigt und sofort mit einer Tiefschnee-Abfahrt beginnt, sollte man sich unbedingt die Aufwärmrunde in Whistler gönnen. Nach zwei Skitagen dort fühlen wir uns fit und brechen früh um 5:30 Uhr nach Vancouver auf. Unser Heli-Abenteuer kann beginnen!
In Kanada ist gefühlt jeder tiefenentspannt
Im dichten Schneetreiben kommen wir am Flughafen in Vancouver an, wo eine alte, zweimotorige Propeller-Chartermaschine auf uns wartet. Ein Sitz links, einer rechts, dazwischen der Gang aufrecht stehen kann man in der Beachcraft 1900 nicht. Dafür bleibt während des gesamten Fluges aber die Tür zum Cockpit offen. Im Norden Kanadas gibt es offenbar keine Angst vor Terroranschlägen.
„Dont worry!“, ist denn auch der Lieblingssatz des Piloten. Die komischen Geräusche und das Eis auf der Tragfläche seien kein Problem. Und tatsächlich startet die Maschine mühelos und durchstößt bald schon die Schneewolken. Auf dem gut einstündigen Flug nach Norden geben Wolkenlöcher immer mal wieder den Blick frei auf die Fjorde und die schneebedeckten Coast Mountains. Das Bella Coola-Tal aber ist dicht, wir müssen nach Anahim Lake ausweichen. Im Landeanflug schütteln heftige Seitenwinde vom Pazifik das Flugzeug durch, trotzdem setzen die Jungs im Cockpit die Kiste butterweich auf der schneebedeckten Piste auf.
Landung in der Wildnis von Bella Coola
Auf dem Hochplateau herrscht strahlender Sonnenschein. Der Airport besteht nur aus einer einzigen Holzhütte. Willkommen in der Wildnis! Wären wir in Bella Coola gelandet, hätte der Heli auf uns gewartet und wir hätten wenige Minuten später schon den ersten Tiefschneehang durchpflügen können. So aber geht es erst mal mit dem Bus zur Tweedsmuir Parklodge, wo Pete mit dem Willkommensdrink wartet. Neben einigen wenigen Once-in-a-Lifetime-Reisenden sind vor allem Manager und Banker in unserer Gruppe. Die Finanzzeitungen unterm Arm und ihre verzweifelten Versuche, mit ihren verstummten Blackberries ihre E-Mails im kanadischen Outback abzufragen, haben die Wall Street-Jungs verraten.
Für Geschäftspost ist eh keine Zeit, kaum angekommen geht´s zum Sicherheitstraining. Gewissenhaft üben wir mit dem Lawinenverschütteten-Suchgerät, damit es nach der Heli-Einweisung durch Pilot Kevin o’Neil am nächsten Morgen sofort losgehen kann. Auf dem kurzen Flug hinauf auf den ersten Gipfel sind alle viel stiller als beim Abendessen am Tag zuvor. Selbst erfahrene Heliskifahrer haben offenbar Respekt vor der ersten Abfahrt – erst Recht im Angesicht dieser „Big Mountains“. Der höchste Landepunkt des Helis liegt hier auf 3600 Metern, der niedrigste Pickup auf 700 Metern!
Sanfter Einstieg ins Heliskifahren
Für den ersten Run wählt Guide Wade erst mal einen sanften Hang, von dem man den Flughafen von Bella Coola tief im Tal sehen kann. Bis zum Knie versinken wir im unberührten Neuschnee. „Are you ok?“, fragte Wade jeden einzelnen und lässt es gemächlich angehen. Mit spielerischer Leichtigkeit fährt er vor – nicht schnell und auch nicht sehr weit. Wade muss niemandem beweisen, dass er Tiefschneefahren kann. Nach wenigen Schwüngen sind auch wir im Rhythmus, der lockere Powder und die breiten Tiefschneeski lassen alle Befürchtungen verfliegen und der ABS-Lawinenrucksack verleiht einem ein gutes Gefühl.
14 Abfahren und fast 8000 Höhenmeter haben wir am ersten Tag geschafft. Das sind rund 500 Höhenmeter mehr als der Durchschnitt beim Heliski in British Columbia mit kleinen A-Star-Hubschraubern. Die kleine Gruppe mit nur vier Skifahrern plus Guide und der schnelle Heli, der nur zwei Gruppen fliegt, machen es möglich. Bis eine Stunde vor Einbruch der Dämmerung fliegen wir, fahren über jungfräuliche, weite Hänge, durch Rinnen und Wälder, stets mit fantastischen Ausblicken bis auf die Pazifik-Fjorde. Dann kehren wir mit brennenden Oberschenkeln zur Lodge zurück. Vollgepumpt mit Adrenalin ist die Stimmung beim Après-Ski vorm Kamin mit frisch geräuchertem Lachs und kanadischem Bier so ausgelassen, als seien die Wall Street-Banker am Berg zu Schuljungen mutiert.
Der Heli bleibt am Boden
Die Ernüchterung aber folgt am nächsten Tag: Ein heftiger Sturm fegt durch das Bella Coola-Tal. Die Helis müssen am Boden bleiben. Zu allem Überfluss fängt es dann auch noch an in Strömen zu regnen. Die Lodge liegt nur knapp über Meeresniveau. Aber dass es oben mächtig schneit, ist hier unten nur ein schwacher Trost. Denn am nächsten Tag kommt´s noch dicker: Der Regen hat zwar aufgehört, dafür legt der Sturm zu. Umknickende Bäume reißen die Leitungen ab. 15 zu Tiefschneehelden berufene Ski-Fans sitzen frustriert in der Lodge, mittlerweile auch noch ohne Telefon und Strom. Nur Pete kann nichts die Laune verderben. Mit Flyfishing im Bella Coola River gleich vor der Lodge hält er uns bei Laune – und mit seinem hervorragenden Essen: Im schwedischen Are und in Whistler hat der gelernte Koch selbst Restaurants betrieben und auch schon auf Kreuzfahrtschiffen gekocht.
Das riesige Kaminfeuer wärmt, Kerzen und Petroleum-Lampen tauchen die Lodge beim Abendessen in warmes Licht. Als dann auch noch heftiger Schneefall einsetzt und die Lichtung vor der Lodge, auf der sich im Sommer Braunbären tummeln, endlich wieder weiß pudert, kommen wir uns vor wie in einem Romantik-Film. „Meine Frau wäre begeistert“, scherzt Dan aus Colorado.
Freeriding ist auch ein Glücksspiel mit dem Wetter
Im Schnitt können die Helis in British Columbia nur gut vier Tage pro Saison nicht fliegen. Zwei Tage hintereinander am Boden das ist Riesenpech und für Bella Coola völlig untypisch. Pete nimmt´s als Herausforderung. Bei Kaiserwetter und Pulverschnee kann schließlich jeder glückliche Gäste haben. „The Swede“ hat sie auch bei Regen. Beim Dinner spielt der kauzige Typ mit der krächzenden Stimme notfalls den Alleinunterhalter. „Wir hatten ein wildes Leben, haben Dinge in den Bergen getan, die nie zuvor einer gewagt hat“, erzählt Pete Anekdoten aus seinem Leben.
So verrückt „The Swede“ aber auch immer war, Sicherheit ging für ihn stets vor. „Einer muss schließlich schauen, dass die Leute heil vom Berg kommen“, meint Pete. Selbst die abgebrühtesten Freeride-Profis verlassen sich auf den Wikinger. Wenn „The Swede“ nein sagt, ist ein Hang Tabu. Sein Wissen ist eine Lebensversicherung, weshalb sich sogar einmal eine kanadische Mount Everest Expedition von ihm trainieren ließ.
Kanadas Heliski-Anbieter arbeiten zusammen, wenn es um die Sicherheit geht
Auch wir vertrauen ihm und seinen Guides fast blind. Die kanadischen Heliski-Guides haben eine jahrelange Ausbildung hinter sich, bevor ihnen Gäste anvertraut werden. Alle Heliski-Anbieter in British Columbia tauschen jeden Morgen ihre Wetter- und Schneebeobachtungen untereinander aus. Wenn es um die Sicherheit geht, gibt es keine Konkurrenz. „Auch deshalb sind Lawinenunglücke äußerst selten“, erklärt Pete.
Als er gerade noch einen Rotwein zum Abendessen spendieren will, gehen plötzlich wieder die Lichter an. Und mit dem Strom flattert auch der Wetterbericht mit der erlösenden Nachricht ins Haus: Morgen können wir fliegen! Und jetzt zieht Pete alle Register. Beim ersten Lichtstrahl lässt er am nächsten Morgen den Heli direkt vor die Lodge fliegen. Wenige Minuten später schießen wir auch schon die erste Abfahrt hinab ins Tal. Es schneit immer noch leicht, aber die Sicht ist gut und der Neuschnee ein Traum. Bis uns der Heli mittags direkt zum Flughafen bringt, schaffen wir immerhin noch sechs Abfahrten. Von dem riesigen Heliski-Gebiet haben wir in den vergangen fünf Tagen allerdings nicht einmal fünf Prozent gesehen. „Nächstes Jahr gibt´s mehr“, verspricht Pete bei unserer Verabschiedung am Flughafen. Er hat keinen Zweifel, dass die meisten trotz des diesmaligen Wetterpechs wiederkommen. Warum auch?
Pete „The Swede“ Mattson ist inzwischen pensioniert. Andere führen nun die Tweedsmuir Lodge. Sicherlich ganz anders als der skurrile Wikinger damals. Aber ein fantastischer Platz zum Heliskiing mit ganz besonderem Flair ist die Tweedsmuir Lodge immer noch.
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Name | Bella Coola Heli Sports |
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Location | Tweedsmuir Park Lodge, Eagle Lodge, Pantheon Heli Ranch, Mystery Mountain Lodge |
Provinz/Bundesstaat | British Columbia |
Mountain Range | Coast Mountains |
Zielflughafen | Vancouver |
Transferzeiten | 70 min. Inlandsflug, 45 Minuten Transfer |